Berlin-Bücher im Frühjahr

Berlin-Bücher im Frühjahr

Ja, es ist noch Januar. Aber der literarische Frühling hat bereits begonnen – mit etlichen Hauptstadtbüchern im Gepäck.

Neues Jahr, neues Programm. Die Aufteilung in Frühjahr und Herbst in der Buchbranche geht fröhlich weiter und während manche von uns – hüstel – noch etliche Bücher aus dem Herbstprogramm auf dem ungelesenen Stapel liegen haben, hauen die Verlage bereits wieder die ersten Novitäten raus.

Da ich regelmäßig für das tip Stadtmagazin Romane bespreche, die in Berlin spielen, habe ich bereits im Dezember die Vorschauen durchgeforstet und euch eine Auswahl an Hauptstadtbüchern zusammengestellt. Diesmal sortiert nach Erscheinungsmonat!

Januar und Februar

„Das Unheil nimmt seinen Lauf bei Kaffee und Kuchen. Der Krieg sei längst verloren, der „Führer“ geisteskrank: Karlrobert Kreiten, 26 Jahre alt, ein hochbegabter Pianist mit goldener Zukunft, verliert im März 1943 ein unbedachtes Wort zu Gast bei einer Jugendfreundin seiner Mutter. Sechs Monate später stirbt er am Galgen. Schattenzeit von Oliver Hilmes erscheint am 25. Januar im Siedler Verlag.“

„Anna und Tom ziehen ins pulsierende Berlin, in der Hoffnung, hier die ersehnte Freiheit zu finden, kreativ zu arbeiten, weder an Schreibtische noch an Konventionen gebunden zu sein. Ihr Traumleben ist das einer ganzen Generation: eine helle Wohnung voller Pflanzen, eine Leidenschaft für internationales Essen und progressive Politik, eine Beziehung, die offen ist für sexuelle Experimente. Doch jenseits dieses Bildes wächst eine taube Unzufriedenheit, sie fühlen sich gefangen, sind erneut auf der Suche. Gibt es ihn, den besseren Ort, authentisch und einladend?“ Davon erzählt Vincenzo Latronico in Die Perfektionen, der am 27. Januar im Ullstein Verlag erscheint.

Emanuel Maess erzählt in Alles in allem von einem „Theologiestudenten, der seit einer halben Ewigkeit an einer Dissertation schreibt und mit seiner Freundin in Berlin-Friedenau ein grundberuhigtes, an inneren und äußeren Spannungen armes Leben führt. Die idyllische Behaglichkeit nimmt jedoch ein Ende, als er auf einem Wittenberger Symposion auf die Künstlerin Katharina trifft, die den verschlafenen Theoretiker im Lauf einiger Wochen in ein Mysterium des sinnlichen Selbstverlustes und ein ganz leibhaftiges Offenbarungsgeschehen hineinzieht.“ Erscheinungstermin ist der 14. Februar im Rowohlt Verlag.

„Ostern 1961 erfährt Elisabeth, dass ihr über alles geliebter Bruder in den Westen gehen will, weil er in der DDR keine Zukunft sieht. Was wird bleiben von ihrer Gemeinsamkeit, wenn jeder seinen Idealen folgt? Wenige Tage hat sie noch Zeit, mit Uli zu reden.“ Den Roman Die Geschwister von Brigitte Reimann können in der ungekürzten und politisch ungeschönten Fassung wiederentdecken, der Aufbau Verlag veröffentlicht ihn am 14. Februar.

„Als Juni ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf der kleinen norwegischen Insel zurückkehrt, entdeckt sie ein Foto: Es zeigt ihre Großmutter Tekla als junge Frau mit einem deutschen Soldaten. Wer ist der unbekannte Mann? Die Suche nach der Wahrheit führt Juni nach Berlin und in die kleine Stadt Demmin im Osten Deutschlands, die nach der Kapitulation von der russischen Armee überrannt wurde.“ Davon erzählt Trude Teige in ihrem Roman Als Großmutter im Regen tanzte, der am 22. Februar im S. Fischer Verlag erscheint.

„In ihrer rasant erzählten Satire Der erste Zug nach Berlin – erstmals nach dem Original-Typoskript veröffentlicht – nimmt uns Gabriele Tergit mit ins Berlin der Nachkriegszeit. Die junge Amerikanerin Maud hat noch nicht viel von der Welt außerhalb der New Yorker High Society gesehen. Da bekommt sie die Gelegenheit, eine britisch-amerikanische Militärmission nach Berlin zu begleiten, die den Deutschen endlich demokratische Prinzipien näherbringen soll – eine fabelhafte Chance, vor ihrer Hochzeit noch rasch etwas zu erleben.“ Erhältlich ab 23. Februar im Schöffling Verlag.

März, April und Mai

„Erst als der Sohn ihn danach fragt, spricht der Vater, Jahrgang 1933, von der NS-Zeit. Von der Napola, der Nationalpolitischen Lehranstalt, vom jüdischen Fellhändler am Markt und von seinem Onkel. Jenem Onkel Paul, nach dem der Sohn benannt ist und der NSDAP-Kreisgeschäftsführer war. Im Bundesarchiv findet der Sohn, als jüngstes von acht Kindern 1980 geboren, nur eine schmale Akte. Doch ihn lassen die Fragen nicht los: Wie setzen sich nationalsozialistische Prägungen auch in seiner Familie fort?“ Paul Brodowsky erzählt davon in Väter, der Suhrkamp Verlag veröffentlicht das Buch am 13. März.

„Das Berlin unserer Tage. Die Gentrifizierung schreitet zügig voran. Kräne, wohin man schaut. Bagger schlagen ihre Zähne in die Goldgrube. Eine neue Baustelle führt den zweiundzwanzigjährigen Dachdecker Paul nach Friedrichshain, wo die letzten besetzen Häuser immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Dort begegnet ihm die zehn Jahre ältere ehrgeizige Doktorandin Marie. Sie macht den arglosen Arbeiterjungen zu ihrem Toyboy.“ Der Roman Zeit der Kräne von Michael Sollorz erscheint am 22. März im Quintus Verlag.

„Im Zentrum des 1907 erschienenen Romans steht Willy Lehmann, der titelgebende Snob. Er beherrscht die zurückhaltende Noblesse perfekt, und mit seiner vollendeten Eleganz hat er den Makel seiner Herkunft aus einer Charlottenburger Gärtnerfamilie gründlich abgestreift. Zu seinem mondänen Leben gehört die luxuriöse Wohnung nahe dem Kurfürstendamm ebenso selbstverständlich wie die Gepflogenheit, diese für ausgedehnte Aufenthalte in St. Moritz oder Monte Carlo während der Wintermonate zu verlassen, wo Willy auf die gleichen Mitglieder der Hautevolee trifft wie im Berliner Westen – so auch auf die Textilfabrikantentochter Trude Blachstein.“ Der Quintus Verlag entdeckt Edmund Edels Der Snob wieder, erhältlich ab 29. März.

„Der Geruch von Kunstnebel und Schweiß, dröhnende Bässe und besetzte Häuser – ein angepasstes bürgerliches Leben war für Bey, Bassistin einer Avantgarde-Punkband, früher undenkbar gewesen. Nach der Geburt ihres Sohnes wohnt sie jetzt am Rand von Amsterdam, umgeben von gutsituierten Eltern ohne spätjugendliche Exzesse. Als ein kalkweißes Kuvert sie erreicht, gerät ihr Alltag aus dem Takt: Ihr Ex-Freund Iggy ist gestorben. Bey fährt zur Beerdigung nach Berlin, wo sie in Iggys Nachlass eine Tonaufnahme findet, die sie an den Umständen seines Todes zweifeln lässt.“ Die Frankfurter Verlagsanstalt veröffentlicht Punked von Yasmin Sibai am 30. März.

„Ende der Zwanzigerjahre auf der Schattenseite von Babylon Berlin: In seinem 1929 erstmals erschienenen Roman stellt Günther Birkenfeld die Witwe Schwarzer mit ihren drei Kindern vor, die in den bedrückenden Verhältnissen einer Mietskaserne in Moabit leben. Die zwanzigjährige Erna verdient als Kontoristin eigenes Geld, verbraucht dieses jedoch nur für sich, der siebzehnjährige Paul ist arbeitsloser Schlossergeselle, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten versucht und sich schämt, seiner Mutter zur Last zu fallen, für das fünfzehnjährige Lenchen sind schöne Kleider und ein Schwof am Wochenende der Himmel auf Erden.“ Dritter Hof links von Günther Birkenfeld ist ab dem 5. April im Quintus Verlag erhältlich.

„Der vierzehnjährige Daniel kommt 1958 aus seiner ostdeutschen Heimatstadt, wo ihm als Pfarrerssohn das Abitur verwehrt wird, nach Berlin. Er zieht in ein Schülerheim in Grunewald, wo er auch das Gymnasium besucht, und lebt sich in der neuen Umgebung rasch ein. Mit seinen Zimmergenossen – die alle, wie er, aus der DDR stammen – drückt er nicht nur die Schulbank, sondern sie erkunden gemeinsam die Stadt: Als Zeitungsverkäuferziehen sie allabendlich durch die Kneipen, und wenn das Essen im Schülerheim allzu fade schmeckt, geht es auf eine Erbsensuppe in Aschingers ‚Stehbierhalle‘.“ Der neue Roman von Christoph Hein, Unterm Staub der Zeit, erscheint am 17. April bei Suhrkamp.

„Als die DDR zusammenbricht, versammelt sich die Familie des Erzählers eines Abends vor dem Ofen, um sämtliche Beweise über die Stasi-Tätigkeit ihrer Mitglieder zu verbrennen. Der einzige Sohn wächst in eine Welt hinein, die sich in Auflösung befindet und in der die Eltern schnell die Orientierung verlieren. Erst als der Großvater, die sozialistische Heldenfigur der Familie, allmählich dement wird, scheint ein Neuanfang denkbar.“ Die frühen Jahre von Felix Stephan gibt’s ab dem 18. April im Aufbau Verlag.

„In einer Villa in einem Berliner Randbezirk finden sich sechs Menschen zu einer ungewöhnlichen WG zusammen – aus Geldmangel, aus Einsamkeit, auf der Suche nach einer raschen Lösung. Die knapp sechzigjährige Gloria kocht für alle – und sie kocht hervorragend –, nur ihr griesgrämiger Ehemann Herbert war von vornherein dagegen, dass sich andere Menschen in ihrem Heim einnisten.“ Franziska Fischer veröffentlicht Unsere Stimmen bei Nacht am 17. Mai bei Dumont.

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